Buchvorwort von Iris Berben
Worte an die Filmschüler
von Iris Berben
Darum liebe und lebe ich Film
Dass das Leben voller Überraschungen steckt, wissen wir, es oft Zufälligkeiten sind, die Menschen zusammenbringen, wissen wir auch. Und so war es 1982, als Thilo Pohle hörte, dass der Großvater eines seiner Schüler – noch in den allerletzten Kriegstagen ganz in der Nähe seines Wohn- und Wirkungsortes – von der SS aufgehängt worden war.
Ein weiterer Zufall brachte ihn auf die Idee, mit einer gerade gegründeten Dokumentarfilmgruppe, dieses tragische Ereignis zum Inhalt seines ersten Filmprojektes zu machen. Ein Projekt, das dann mehr als 200 Filmschülerinnen und Filmschüler in fast vier Jahrzehnten weiter mit ihm fortgesetzt haben, das mit einer kleinen Idee begann und zu einer großartigen und einmaligen Filmreise wurde. Applaus!
Ja, Film lässt uns reisen, träumen und hoffen. Film ist wie eine große, schöne Tür, die man aufstoßen kann, um dann Kreativen, Visionären, Verantwortlichen und anderen Träumern zu begegnen.
Als ich die Geschichten – Eure Geschichten – in diesem liebevoll gestalteten Buch las, ist mir wieder einmal klar geworden, wie glücklich ich mich schätzen kann, in diesem und mit diesem Medium zu arbeiten, zu leben. Es deckt alle meine Ansprüche, wie ich mir Leben vorstelle.
Dieses wundersame Medium Film, das es schafft Bindeglied zu sein, Gemeinschaft herzustellen, aber Individualität zulässt. Das sucht, Antworten gibt, Fragen stellt, provoziert. Das ängstigen und verwirren kann, uns zum Nachdenken zwingt, aufregt, anregt, uns lachen oder vor Erschrecken starr werden lässt.
Aber eben auch Erinnerung gibt. Historische, menschliche Erinnerungen, ohne die wir keine Zukunft begreifen und gestalten können. Die beitragen, Verletzungen, Traumata, Scham offenzulegen und Menschen dadurch vielleicht einen Weg zeigen können, sich von ihrer Last zu befreien.
Film bedeutet Verantwortung. Und Verantwortung übernehmen zu können, ist ein Privileg. Es fordert uns und gibt uns dadurch den Weg vor, Haltung zu zeigen und Haltung zu leben.
Film ist Vielfalt. Und Vielfalt ist Respekt, Toleranz, Empathie und Neugierde dem Anderen, dem Fremden, dem Unbekannten gegenüber.
Film ist Kommunikation, Austausch, ist Sprache und Emotionalität.
Film ist Kultur. Und ohne Kultur kann eine Gesellschaft nicht freiheitlich, individuell, gerecht leben.
Darum liebe und lebe ich Film.
Ich wünsche diesem Buch, dem Projekt, den folgenden Arbeiten weiterhin Leidenschaft, Kraft und sehr viel Erfolg.
Und möget Ihr immer wieder den magischen Satz sagen können: Film ab.
Mit herzlichen Grüßen im coronageschüttelten Jahr 2021.
Iris Berben